Über die Flut an starken, weiblichen Hauptcharakteren

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Starke, weibliche Protagonistin im Dunkeln. Nur ihre Umrisse sind zu erkennen. Ihr leuchtend blaues Haar ist hell erleuchtet und flattert im Wind.

Starke weibliche Protagonisten sind clever, sie sind sarkastisch, sie sind wunderschön. Und sie treten jedem Bösewicht erbarmungslos in den Arsch.

Würde mich jemand nach der stereotypischen Protagonistin fragen, wäre dies meine Antwort.

Warum eine starke Frau in der Hauptrolle gar nicht mal so schlecht ist…

Frauen sind auf dem Vormarsch. Um das zu erkennen, reicht ein kurzer Spaziergang durch den lokalen Buchladen. In der Romantikabteilung stehen fast ausschließlich Frauennamen auf dem Cover. In der Fantasyecke gibt es mindestens genauso viele weibliche wie Männliche Autoren. Selbst in der ursprünglich von Männern dominierten Rubrik der Thriller und Krimis finden sich immer mehr Frauen ein.

Wir lieben starke Frauen. Sie sind faszinierend, inspirierend und sexy. Sie machen viele Geschichten um einiges interessanter. Sie sind, was viele Frauen sich (insgeheim) wünschen zu sein. Sie sind der feuchte Traum der Fans.

Mit so viel Girlpower unter den Autoren und Lesern sollte die Flut an weiblichen Protagonisten niemanden mehr wundern. Zudem schreibt und liest man bevorzugt über Personen, mit denen man sich selbst identifizieren oder von denen man noch etwas dazu lernen kann.

Die Ära des Durchschnittsmannes in der Hauptrolle, die vor 50 Jahren ihren Höhepunkt feierte, ist lange vorüber, vergangen und vergessen. Heute wird Individualität großgeschrieben, nicht nur im Bezug auf das Geschlecht der Hauptfigur.

Diese neue Richtung bringt Farbe und Vielfalt in die Literatur, Grenzen werden überwunden und einmalige Geschichten erhalten auf diese Weise endlich den Nährboden, den sie brauchen und verdienen.

Außerdem: Frauen haben so lange im Schatten ihrer Männer gelebt. Nun tut ihnen ein bisschen Rampenlicht gut.

Warum all die starken, weiblichen Protagonisten aber auch gar nicht mal so gut sind…

Trend erkannt, gefolgt, kopiert. Profit eingestrichen.

Es ist wie bei allen Dingen, die gut funktionieren und mit denen sich Geld machen lässt: Es finden sich Leute, die das ausnutzen, ohne es zu verstehen.

So entstehen viele oberflächliche, stereotypische Charaktere. Ihnen fehlt die Magie. Die Kraft. Die Originalität.

Die starke, weibliche Hauptrolle erlebt – zu oft gedruckt – eine Inflation.

Dies wird noch verstärkt durch den Fakt, dass heutzutage jeder Trottel seine sexuell motivierte Fantasie zu Papier bringen und veröffentlichen kann. Dadurch gibt es immer mehr Schund zu kaufen und die Leute, die das lesen und enttäuscht werden, werden irgendwann nichts mehr von „starken Frauen“ wissen wollen.

So entsteht ein Klischee – und nichts ist nerviger für Kreative als der Klischeestempel oder die Angst davor.

Was gute Protagonisten ausmacht

Gute Protagonisten, egal ob männlich ober weiblich, sind in erster Linie menschlich. Das heißt, sie sind mehr als nur ihr Äußeres oder die generellen Umstände, die ihr Leben bestimmen.

So ist ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen mehr als nur ihr Viertel oder ihre Familie. Sie hat ihre Träume, seltsame Eigenarten, gewisse Ansichten auf die Welt und andere Menschen. Sie hat Angewohnheiten, innere Konflikte und Widersprüche. Sie liebt, sie hasst, sie trauert, sie kämpft. Sie will und will nicht.

Im Verlauf der Geschichte wird sie sich verändern, zum Guten oder Schlechten. Einprägsame Ereignisse gehen nicht spurlos an ihr vorbei.

Sie wird Fehler machen. Fehler haben. Nicht perfekt sein.

Mädchen vor einer Winterlandschaft mit Sonnenuntergang.

Das größte Problem, das ich mit starken, weiblichen Protagonisten habe, ist, dass sie meist makellos erscheinen und selbst vermeintliche Schwächen dieser Perfektion nur zuträglich sind.

Oh, sie ist tollpatschig und schüchtern? Wie süß! Alle wollen ihr helfen. Angst vor Wasser? Aber nur, weil sie das Feuer in sich trägt. Weißes Haar und rote Augen? Gefährlich auffällig, doch auch so schön.

Im Gegensatz dazu ist der Bösewicht meist klischeehaft hässlich und grausam.

Diese Schwarz-Weiß-Malerei von Charakteren mag in Kinderbüchern und Märchen vielleicht noch vertretbar sein, doch jeder über 15 sollte begreifen, dass dies keine realistische Repräsentation der Welt darstellt.

Darum mein Rat: Verbinde gute Eigenschaften mit passenden Fehlern.

Ist ein Charakter sehr hübsch, mach ihn eitel. Hat ein Charakter einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, mach ihn besitzergreifend. Ist Jemand sehr clever, betrachtet er sich wahrscheinlich als etwas Besseres und ist Anderen gegenüber herablassend. Die gütigsten Personen werden oft von schrecklichen Wutanfällen heimgesucht (nicht umsonst heißt es: Fear a wise mans anger.)

Hast du diese Fehler und schlechten Angewohnheiten einmal einem Charakter zugeschrieben, solltest du diese Fehler über den Lauf der Geschichte auch beibehalten. Es bringt nichts, deinen Protagonisten zu Beginn als starken Trinker zu zeigen und dann diesen Fakt nach der Hälfte zu vergessen.

Sicher, schlechte Angewohnheiten können abgelegt werden und aus Fehlern wird gelernt, doch manche Dinge gehören einfach so sehr zu einem selbst, dass man sie nie ganz los wird – egal, wie sehr man dagegen ankämpft. Darum ist es wichtig auch in Sachen Fehler konsequent zu bleiben.

Fazit

Bei der Entwicklung einer Figur solltest du nicht generell zwischen männlichem Protagonisten, weiblichem Protagonisten oder sonstigem unterscheiden. Was du kreierst, ist in erster Linie ein Mensch. Oder sollte einem Menschen zumindest so nah wie möglich kommen.

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