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10 Geheimnisse zur Erstellung grauer Antagonisten

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Wir kennen alle die typischen Bösewichte aus den Geschichten, Märchen und Legenden und auch in unsere modernen Erzählungen dominieren sie die Rubrik der Antagonisten: Die böse Hexe aus „Hänsel und Gretel“ oder „Schneewittchen“, Darth Vader, Loki, Hannibal Lektor…

Sie verkörpern das Böse. Sie wollen Rache, Zerstörung, Baby-Katzen töten, die Weltherrschaft oder ähnliches. Sie haben vielleicht eine tragische Vorgeschichte, sind sympathisch und witzig, doch letzlich lässt sich nichts Gutes in ihren Handlungen, Zielen und Motiven entdecken. Sie sind die Übeltäter, die Vertreter der dunklen Seite des Schwarz-Weiß-Denkens der westlichen Welt.

Im Gegensatz dazu sind graue Antagonisten nicht so leicht zu definieren. Denn sie kann man nicht so eindeutig der dunklen Seite zuordnen. Sie sind sowohl schwarz, als auch weiß. Sie sind Licht und Dunkelheit. Sie sind grau. Und dieses Grau kann in allen möglichen Abstufungen auftreten.

Genau das macht graue Charaktere so unheimlich interessant – und komplizierter zu schreiben.

Was ein guter, grauer Antagonist braucht…

  1. Menschlichkeit: Wie jeder Charakter, jede Figur, die du erschaffst, ist auch für den grauen Antagonisten die Hauptzutat Menschlichkeit. Gerade bei ihnen kommt es darauf an, dass sie eine gewisse Komplexität und Tiefe mitbringen. Gib ihnen ein Privatleben, einen eigenen, einzigartigen Humor, Hobbys. Lasst sie lieben, trauern, irren. Ohne diese Menschlichkeit (und zu jedem Menschen gehören von Natur aus Talente und Fehler, gute wie schlechte Eigenschaften) erschaffst du nur einen weiteren Bösewicht.

2. Kein großer Auftritt: Beim grauen Antagonisten ist nicht von vorn herein klar, dass er der Antagonist ist. Er tritt auf, wie jede andere Figur in deinem Buch. Er erhält keinen großen Auftritt, es gibt keine Vorwarnung, er erhält keine große Ansprache in der er seine Motive und bösen Pläne schildert. Er ist einfach „nur“ ein weiterer Charakter in deiner Story – der zufällig deinem Protagonisten das Leben ein wenig zur Hölle macht.

3. Er ist deinem Protagonisten einen Schritt voraus: Er spielt das Spiel schon länger. Hat mehr Ressourcen. Ist besser involviert. Hat die besseren Informanten. Hat all die Anfängerfehler bereits gemacht und daraus gelernt. Der Antagonist ist deinem Protagonisten einen Schritt voraus und genau das macht ihn so gefährlich. Genau das macht ihn zu einer großen Herausforderung.

4. Er besitzt einen eigenen Charakter-Bogen: Der graue Antagonist ist keine statische Figur. Genau wie dein Protagonist lernt er aus seinen Fehlern, passt sich Gegebenheiten an und entwickelt sich weiter. So kann er zu Beginn des Buches beispielsweise noch mehr Freund als Feind gewesen sein, doch der Lauf der Ereignisse hat ihn vermehrt gegen den Protagonisten aufgebracht. Oder andersherum.

5. Er hat das Verständnis der Leser: Er hat Hoffnungen und Ziele. Er ist menschlich. Deshalb kann der Leser mit ihm sympatisieren und mitfühlen. Anders als bei einer Verkörperung des absolut Bösen ist der graue Antagonist ein Mensch wie jeder andere. Er hat sich dieses Leben und seine Situation wahrscheinlich nicht ausgesucht. Er versucht lediglich das Beste daraus zu machen. Dass er dabei manchmal anderen Schaden zufügen muss, ist leider nicht zu vermeiden.

6. Er hat Geheimnisse: Wir verstehen ihn, wissen aber nie alles über ihn. Den grauen Antagonisten umgibt immer eine gewisse Aura des Ungewissen und Mystischen. Kleine Ungereimtheiten (wie „Wie kann er das wissen?“, „Woher hat er das?“, „Wie kommt er hierhin?“, Woher kennt er den?“) lassen den Leser und Protagonisten an ihm zweifeln und geben Aufschluss darauf, dass er vielleicht nicht so gut, lieb und nett ist, wie er vielleicht vorgibt zu sein.

7. Er hat bessere, ehrbarere Ziele als die Zerstörung des Protagonisten oder die Ergreifung der Weltherrschaft: Diese Ziele sind die eines Bösewichts. Doch der graue Antagonist ist keiner von der ganz üblen Sorte. Er hält sich für einen guten Menschen und ist vielleicht auch einer. Er kämpft für Gerechtigkeit, Frieden, versucht geliebte Menschen zu beschützen. Der graue Antagonist könnte in den meisten Fällen auch als grauer Held durchgehen, wäre die Geschichte aus seiner Sichtweise geschrieben. Er hat ein nobles Ziel und im Normalfall würden wir (Leser) darauf hoffen, dass er es erreicht. Der einzige Grund, warum wir das vielleicht nicht tun, ist der: Gewinnt der Antagonist, verliert der Held.

8. Sein Ziel ist vielleicht ehrbar, doch seine Methoden zweifelhaft: Er will Gerechtigkeit, Frieden, geliebte Menschen beschützen, doch wie er das bewerkstelligen will, erinnert schon mehr an einen Bösewicht (irgendwoher muss der Schatten ja kommen, der seine weiße Weste grau färbt). Vielleicht lügt er, betrügt er, intrigiert er. Vielleicht lässt er sich auf zweifelhafte Leute ein. Egal, was es ist, 100% moralisch korrekt ist es nicht. Doch der graue Antagonist findet noch immer einen Weg, das mit seinem Gewissen zu vereinbaren. Er tut, was seiner Meinung nach notwendig ist, um sein nobles Ziel zu erreichen.

Der graue Antagonist im Bezug zum Protagonisten

Wie bereits erwähnt, kann ein grauer Antagonist sehr viel mit einem und auch dem Protagonisten deines Buches gemeinsam haben: Eine starke Persönlichkeit, Backstory, noble Ziele, nachvollziehbare Taten, das Sammeln von Sympathiepunkten.

Zwar nutzt er unlautere Methoden, um seine Ziele zu erreichen (siehe Punkt 8), jedoch macht ihn das nicht automatisch zum Antagonisten. Es gibt auch viele graue Protagonisten und Helden, die sich großer Beliebtheit erfreuen (z.B.: Gereon Rath, Captian Jack Sparrow, Han Solo, Sherlock Holmes). Auch sie lügen, spinnen Intrigen und haben einen zweifelhaften Umgang oder schlechte Angewohnheiten.

Das, was einen grauen Antagonisten letztlich wirklich zum Antagonisten macht, ist seine Position als Gegenspieler. In irgendeiner Weise steht er mit dem Protagonisten in Konflikt. Sie machen einander das Leben schwer.

Wie? Warum? Da gibt es zwei Möglichkeiten.

a) das Ziel des Antagonisten ist konträr zu dem des Protagonisten: Hat sich der Protagonist beispielsweise das Ziel gesetzt, eine (seiner Meinung nach) korrupte Regierung zu stürzen, könnte der Antagonist eben diese Regierung beschützen wollen. Oder andersherum. Der Konflikt entsteht, da Protagonist und Antagonist gegensätzliche Ziele verfolgen.

b) das Ziel des Antagonisten ähnelt dem des Protagonisten sehr: Beide wollen die korrupte Regierung stürzen. Vielleicht aus unterschiedlichen Gründen und Motivationen heraus, doch vordergründig verfolgen sie dasselbe Ziel. Der Konflikt entsteht durch die Konkurrenz beider Kräfte zueinander. Jede Seite will beweisen, dass sie besser ist als die andere, dass sie bessere Methoden hat, dass sie recht hat.

Schlusswort:

Bei der Erstellung eines grauen Antagonisten kommt es sehr auf den Konflikt zwischen ihm und dem Protagonisten an. Daher ist es umso wichtiger, dass du weißt, worum es in deiner Geschichte geht. Was ist das zentrale Thema, die zentrale Frage, um die sich alles dreht? Welche Aussage willst du treffen? Welche zwei Aspekte einer Sache willst du beleuchten?

Anders als beim traditionellen „Gut gegen Böse“ lässt sich die Hauptaussage nicht so einfach auf „Das Gute siegt immer“ runterreduzieren. Das fordert einerseits ein höheres maß an kreativem Einsatz, aber auch viele Möglichkeiten. Komplexere Themen lassen sich so besser beleuchten. Definitive Antworten können weder gegeben werden, noch sind sie von Nöten. Der Leser muss selbst überlegen, was er für richtig hält, wem er recht gibt.

Am Ende verlieren meist beide Seiten etwas. Der Antagonist verliert (traditionellerweise, nicht zwingend), doch auch der Protagonist muss zurückstecken.

Hier die Waage zu halten, das richtige Maß zu finden ist kompliziert. Ein grauer Antagonist ist eine ganz andere Herausforderung beim Schreiben als ein konventioneller Bösewicht. Doch genau das macht ihn meiner Meinung nach so interessant und lohnenswert. Im wahren Leben sind die Dinge auch kompliziert und selten in Schwarz oder Weiß zu unterteilen.

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