Egal, welches Buch man aufschlägt, die Protagonisten entsprechen fast immer dem Schönheitsideal oder sind zumindest auf eine besondere Art attraktiv. Woran liegt das?
Der ästhetische Wert
Ein Buch muss möglichst viele Menschen ansprechen, wenn es möglichst oft verkauft werden soll. Die einfachste (Teil)Lösung ist es da, den Protagonisten ansprechend zu gestalten. Der Autor erschafft also einen (äußerlich perfekten) Menschen, in dessen Haut jeder gern mal stecken würde.
Dabei werden dem Prota meist eigenschaften zugeschrieben, die wir aus heutiger Sicht als attraktiv empfinden.
Auch wenn der Autor ihn nicht direkt als schön beschreibt, dann erhalten die Charaktere doch oft Komplimente von außen („Du kannst sowas ja tragen.“ Als ob du Probleme hättest, einen Freund zu finden.“ etc.).
Obwohl diese Nebencharaktere oftmals ebenfalls als attraktiv dargestellt werden.
Manchmal zieht genau dieses Verhalten, dieser Sachverhalt gewisse Situationen ins Lächerliche.
Beispiele?
Kämpferinnen und Assessinen sind muskulös und athletisch. Ihr langes Haar weht im Wind. Ihre Bewegungen sind elegant. Vielleicht haben sie auch irgendwo eine kleine Narbe, die sie mystheriös erscheinen lässt.
In Wahrheit wären solche Frauen wohl eher mit Narben übersäht. Sie hätten kurzes oder streng zurückgebundenes Haar, damit es ihnen im Kampf nicht in die Quere kommt oder sie verrät. Ihre Muskeln währen wahrscheinlich eher einschüchternd als elegant.
Brienne von Tarth (aus George R. R. Martins „Game of Thrones“) ist in der Kategorie Kämpferinnen die realistischste Darstellung, die ich bisher in einem Buch finden konnte.
Auch in New Adult/Young Adult ist es auffällig, wie alle Charaktere stets dem Schönheitsideal entsprechen. In der echten Welt sehen die wenigsten Schüler*innen im Alter von 16 Jahren aus wie Supermodels, haben glatte Haut, lange Beine, perfekte Haare, Klamotten, Make-up…
In Büchern jedoch gibt es meist mindestens 3-4 solcher Mädchen in einer Klasse. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?
Realistische Darstellung
Der Sinn dieses Artikels soll nicht sein, Schönheitideale und dergleichen zu verteufeln zu verteufeln. Ich möchte lediglich auf das Thema aufmerksam machen und zum Umdenken bewegen.
Jeder hat Fehler
Nicht jede Figur muss dem Ideal (schlank, gute Figur, volle Lippen, schönes Haar) entsprechen. Sie können – und sollten – hin und wieder davon abweichen.
Dann hat deine Protagonistin eben fast keine Brüste. Dann hat sie eben mattes Haar und schmale Lippen. Wen juckt’s, dass der Held Akne hat? Was stören mich seine krumme Nase, schiefen Zähne und der kleine Rettungsring auf seiner Hüfte?
Schönheit ist nicht alles
Natürlich gibt es sie dennoch: die zum Umfallen schönen Menschen. Die Models. Die hübschen Gesichter. Es gibt sie sogar überall. (Zwar hat nicht jede Schulklasse 5 Models in ihren Reihen sitzen, aber meist es gibt doch eine Person, die ein wenig heller strahlt als der Durchschnitt).
Doch ändert das irgendwas? Macht es diese Person in irgendeiner Weise besser, begehrenswerter, qualifizierter?
Ich denke nicht.
Ein Mensch ist viel mehr als sein Aussehen. Er ist sein Talente und Gedanken, definiert sich durch seine Entscheidungen und Gefühle. Wir als Autoren sollten das eigentlich am besten wissen.
Jeder Mensch ist schön – auf seine Art
Deine Protagonist muss kein Supermodel sein oder irgendwelchen Idealen entsprechen, um schön zu sein. Ich finde es wichtig, dass jeder an sich selbst erkennt, wie wertvoll er ist und was er der Welt zu bieten hat.
Um das zu erreichen gehört eine ordentliche Potion Mut, aber auch sehr viel Ehrlichkeit. Man sollte sich selbst lieben, ja. Dazu gehört jedoch auch, Fehler und Makel einzugestehen.
Ja, seine Nase ist ein wenig zu groß. Sie hat Pickel. Ihre Fisur ist nicht perfekt. Er hat nicht immer ein glückliches Händchen, was die Wahl seiner Kleidung angeht. Und trotzdem sind sie schön. Und trotzdem sind sie es wert geliebt zu werden.
Nein – nicht trotzdem. Deshalb.
Ihre Makel machen sie besonders. Sie zeichnen sie aus. Sie unterstreichen ihre Persönlichkeiten und machen sie aus. Sie sollten ehrlich zu ihnen stehen können.
Das sollten auch fiktive Charaktere.