In der realen Welt gibt es keine Perfektion. Jeder Mensch hat irgendwelche Makel. Der eine ist zu dick, die andere zu groß. Der hat Narben, sie schiefe Zähne und ein nerviges Lachen. Ihre direkte Art macht sie bei vielen unbeliebt, seine seltsamen Angewohnheiten stoßen meist auf Unverständnis.
Wir sind nicht perfekt und (eigentlich!) wissen wir das auch.
Dennoch gibt es Charaktere in Buch und Film, die scheinbar perfekt sind. Besonders betrifft das Figuren, die die Heldenrolle erfüllen. Sie sind stark, talentiert, haben hohe Moralische Ansprüche und sehen ganz nebenbei auch noch zum Anbeißen aus.
Warum? Weil wir Helden gern idealisieren. Weil jeder den Protagonisten lieben soll. Weil wird gern selbst so wären.
Warum Charaktere Fehler und Schwächen brauchen
Perfektion ist für den Menschen unerreichbar.
Da wir also alle mit irgendeiner Art von Schwäche und Unzulänglichkeit zu kämpfen haben, sollten das die Figuren, zu denen wir auf schauen, ebenfalls tun.
Nur so können diese Figuren uns motivieren, uns Hoffnung und Mut machen. Wenn jemand, der gegen Götter kämpft, Selbstzweifel und Depressionen verspührt, dann können wir damit auch unseren Alltag bewältigen.
Abgesehen davon, verleihen Schwächen einem Charakter Tiefe. Und diese Tiefe zu erkunden ist sehr viel spannender, als nur eine hübsche Oberfläche zu bewundern.
Also los. Mal sehen, wie wir unsere Protagonisten schwächen und verunstalten können. 😉 Und welche Auswirkungen die verschieden Charcter Flaws mit sich bringen.
Körperliche Schwächen
Die erste Möglichkeiten, eine Figur vor der Perfektion zu retten, ist durch eine körperliche Schwäche.
Dein Protagonist ist keine Schönheit
Ich habe mich bereits in diesem Artikel darüber ausgelassen, dass Protagonisten nicht immer unbedingt dem Schönheitsideal entsprechen sollten.
Es gibt so viele wunderschöne Heldinnen, so viele Ritter in glänzender Rüstung.
Doch kannst du dich an auch nur eine Geschichte erinnern, in der Prota übergewichtig war? Zu klein, zu krumm, mit Brille oder schiefen Zähnen?
Mir fallen dazu nur Tyrion aus Game of Thrones und Quasimodo auf Der Glöckner von Notre Dame ein.
Zwar gibt es sie: die Schönheiten. Doch auch sie haben mit Vorurteilen zu kämpfen, die in Büchern nie auch nur benannt werden.
Dabei kann ein hässlicher Charakter eine interessante, neue Perspektive bieten. Er kann eine Lernkurve durchlaufen, die ihn (und jeden von Zweifeln geplagten Leser) lehrt, sich selbst zu lieben. Dass Äußerlichkeiten keinen Wert haben. Dass andere Eigenschaften wichtiger sind.
körperliche Behinderungen
Körperliche Behinderungen können die verschiedenste Formen annehmen. Es gibt „leichtere“ und schwerere Behinderungen. So macht es zum Beispiel einen Unterschied, ob deiner Figur nur ein Finger oder gleich der ganze Arm fehlt.
Während amputierte Gliedmaßen in Büchern, die Krieg thematisieren, noch relativ häufig Erwähnung finden, sind andere köperliche Behinderungen (wie Blind- oder Taubheit) eher in Liebesromanen zu finden.
Wieso sollte man das nicht mal umkehren?
Wie wäre es z.B. mit einem gehörlosen Protagonisten in einer Fantasywelt? Oder einem Jungen ohne Arm als Protagonist einer New Adult Reihe?
Auch Astma, Diabetes oder Herzfehler sind Beeinträchtigungen, die selten bis nie erwähnt werden. Dabei kennt doch eigentlich fast jeder von uns jemanden, der eine dieser Krankheiten aufweist, oder?
Auch wenn du aus welchen Grund auch immer, deinem Protagonisten eine Behinderung nicht antun willst, so ist es dennoch eine interessante Möglichkeit, Nebencharakteren Tiefe zu verliehen.
Stichwort Diversity.
Achtung: Wenn du Personen mit Behinderungen thematisierst, recherchiere vorher. Das ist ein sensibles Thema. Empfehlenswert ist es dann auch, dir einen Sensitivity Reader zu suchen – also jemanden, der die Krankheit sehr gut kennt, sie vielleicht selbst sogar hat und dich auf Fehler in deiner Darstellung hinweisen kann.
Unsportlichkeit
Geht es um Team- oder Ballsportarten bin ich eine absolute Niete. Zwar habe ich mittlerweile gelernt, wie man einen Ball fängt, aber in der Schule war ich jahrelang das Mädchen, das beim Fußball/Basketball/Ball über die Leine/… ganz hinten in der Ecke stand. Denn der größte Nutzen, den ich meinen Team liefern konnte, war der, den anderen nicht im Weg zu stehen.
Das heißt nicht, dass ich komplett unsportlich bin. In Einzelsportarten wie Schwimmen oder Boxen bin ich super. Hier kann ich mich auf mich konzentrieren und muss nicht mit anderen Leuten interagieren.
Was ich damit sagen will: Deine Figuren müssen nicht alles können. Vielleicht haben sie diese eine Sportart, in der sie richtig gut sind, während der Rest… naja.
Vielleicht ist es auch nur ein Aspekt davon. Ich kenne z.B. soo viele Leute, die es hassen, zu rennen. Und dann entsprechend auch in allem, was mit Rennen zu tun hat, schlecht sind.
Darum mein Appell: Gib deinen Figuren die Chance schwach zu sein. Schlecht zu sein. Aus der Puste zu kommen. Ist er/sie nicht gerade Profisportler oder beim Militär, ist es wahrscheinlich, dass er/sie nicht immer top in Form ist.
Charcter Flaws der Psyche
Psychische Krankheiten
Fangen wir gleich mit dem Schlimmsten an, damit das aus dem Weg ist.
Das Thema Psychische Krankheiten scheint momentan überall zu sein. Vielleicht liegt es an den Medien, dass uns immer bewusster wird, wie viele das tatsächlich betrifft.
Depressionen, Angstzustände, Paranoia, Selbstmordgedanken. All das sind sehr düstere Thema, mit denen du auf keinen Fall leichtfertig umgehen solltest.
Doch sie sind menschlich. Und gerade Menschen, die viel Verantwortung tragen (wie z.B. der Held, der die welt rettet), sind anfällig für irgendeine Art von Selbstzweifeln und Angst.
Sich mit diesen Themen mal genauser auseinander zu setzen, kann dir nicht nur dabei helfen, Deinen Figuren Tiefe zu verleihen und sie menschlicher werden zu lassen. Es sensibilisiert dich auch und lässt dich die Menschen besser verstehen, die davon betroffen sind.
Empathie ist eines der wichtigsten Werkezuge eine Autors.
Falsche Glaubenssätze
Selten hinterfragen wir die Dinge, die uns von Kindesbeinen an als Richtig und Wichtig presentiert wurden. Wie wir aufwachsen, prägt uns. Daher ist es nicht selten, dass sich da auch mal falsche Glaubenssätze in unseren Köpfen manifestieren.
Ein Beispiel: Philippa wurde stets eingebläut, dass sie zu nichts zu gebrauchen ist. Wenig verwunderlich also, dass sie sich auch als Erwachsene gewisse Dinge einfach nicht zutraut. Das macht sie unsicher und abhängig von den Leuten um sie herum.
Falsche Glaubenssätze sind ein gutes Werkzeug für spannende Character Arcs (Entwicklungsbögen). Im Laufe der Geschichte kann man mitverfolgen wie die Events erst den falschen Glauben herausfordern und den Charakter schließlich dazu zwingen, ihn aufzugeben.
Im obigen Beispiel wir Unzulänglichkeit thematisiert. Am Ende der Geschichte sollte Philippa also erkennen, dass sie genug ist, dass sie stark ist und dass sie selbst für sich sorgen kann.
Schlechte Angewohnheiten und Ticks
Es gbt viele Arten von schlechten Angewohnheiten. Jeder hat ein paar. Es gibt sie in den verschiedensten Formen, Farben und (leider auch) Gerüchen.
Seien es ungesunde Essgewohnheiten, ständiges Rauchen oder Trinken oder einfach nur der feste Glaube, das Wort „quasi“ müsste in jedem gesprochenen Satz vorkommen.
Welche Angewohnheiten eine Figur auch hat (und glaub mir, jede Figur sollte welche haben) – sie sagen viel über ihre Persönlichkeit aus.
Ein nervöser Charakter fummelt sich vielleicht ständig an den Haaren herum oder zersplückt sein Essen in winzige Teile, bevor er es sich Krümel für Krümel in den Mund schiebt.
Oder vielleicht hast du auch einen Charakter, der so selbstbewusst ist, dass er davon ausgeht, er könne so viel rülpsen und pupsen wie er will ohne dass sich jemand daran stört.
Tipp: Um den Überblick nicht zu verlieren, lohnt es sich vielleicht, eine kleine Liste anzulegen. Notiere dabei für jede Figur 3-4 schlechte Angewohnheiten und Ticks, die du dann mit in die Story einwebst. Gerade bei einem großen Cast ist das empfehlenswert.

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Ein super Beitrag, und Dankeschön für die konkreten Tipps. Mir fällt es immer schwer „gute“ Schwächen zu finden. Also eine tolle Hilfe!