Character Arcs in Reihen sind nicht gleichzusetzen mit der Entwicklung, die ein Protagonist in einem Einzelband durchläuft. Denn eine Reihe hat eine viel größere Bandbreite. Jedes Buch sollte dabei zeigen, wie der Protagonist sich weiterentwicklt. Diese Entwicklung sollte in jedem Band einer zufriedenstellenden, in sich geschlossenen Arc folgen und dennoch Platz für offene Fragen lassen.
Warum? Weil jeder einzelne Band für sich selbst gesehen eine koherente Geschichte erzählen sollte. Und dennoch die Spannung hoch genug bleiben sollte, um den Leser von Band 1 zu Band 2 und weiter zu führen.
Wie genau die diese Zwei Dinge erreichen kannst, ist abhängig von der Art vo Reihe, die du schreiben willst. Im Folgenden werde ich die verschiedenen Reihenarten erklären, bevor ich dir zeige, wie du eine zufriedenstellende Character Arc für deinen Protagonisten (entsprechend der Art deiner Reihe) plottest.
Mögliche Vorgehensweisen je nach Art der Reihe
Ich vertrete die starke Meinung, dass gute Character Arcs immer der gleichen (oder einer sehr ähnlichen) Struktur folgen, wie der Plot. Das erleichtert nicht nur dir als Autor die Arbeit, sondern gibt dem Leser auch ein gutes Gefühl, wenn alle Elemente ein zufriedenstellendes Gesamtbild ergeben.
Die klassische Trilogie
In der klassischen Triologie spannt die Entwicklung deines Protagonisten über 3 Bände hinweg. Trilogien sind dank der praktischen Aufteilung in drei Bände oftmals an der 3-Akt-Struktur orientiert, wobei Band 1 den ersten Akt repräsentiert, Band 2 den zweiten Akt und so weiter.
Einem ähnlichen Muster sollte demach auch die Arc deines Protagonisten folgen: Einstieg in das Problem – Konflikt – Climax und Auflösung des Konflikts.
Mehr zur 3-Akt-Struktur.
Duologie
Eine Duologie besteht aus zwei Bänden, wobei im ersten Band meist das Problem bzw. der Hauptkonflikt vorgestellt wird, welches dann im zweiten Band gelöst wird.
Dies kann auch für die Arc deines Protagonisten der Fall sein. So erkennt er im ersten Teil sein Problem (oder dass er überhaupt eins hat) und löst es im Zweiten.
Reihen mit mehr als 3 Bänden
Reihen mit mehr als drei Bänden können einer Variation an Strukturen folgen und sind deshalb oft schwieriger zu plotten. Doch auch hier hilft es, sich an beispielsweise der 3-Akt Struktur zu orientieren.
Plant man beispielsweise eine Reihe mit 6 Bänden, so kann man diese gedanklich bzw. planerisch in 2×3 Bände teilen und die 3-Akt Struktur zweimal hintereinander anwenden. Oder man wendet diese Struktur über die ganze Reihe an, was ungefähr so aussehen könnte:

Weitere Strukturen, denen du folgen könntest, sind: Die 4-Akt-Struktur, Blake Snyders BeatSheet oder die 3-9-27-Struktur
Reihen mit mehreren Protagonisten
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Reihen mit mehreren Protagonisten anzugehen. Dabei wollen wir hier die Anzahl der Bücher in der Reihe außer Acht lassen.
So können sich beispielsweise die Protagonisten parallel zueinander entwickeln, was bedeutet, dass jeder Prota in jedem Buch eine eigene Arc durchläuft.
Diese Entwicklungen können jedoch auch gestaffelt werden. So kann Prota A seine Arc bereits in Band 1 beginnen, während Prota B diese erst in Band 3 beginnt. Auch „Pausen“ in der Entwicklung sind hierbei möglich.
Eine andere Art von Staffelung könnte so aussehen, dass jeder Band in der Reihe jeweils einem Protagonisten und dessen Werdegang gewidmet wird. Das bedeutet, dass Protagonist A seine gesamte Arc in Band 1 beginnt und abschließt, bevor Prota B dasselbe in Band 2 tut. Prota A wäre dann in Band 2 sowas wie ein wichtiger Nebencharakter.
Folgst du dieser Art von Staffelung, hat das zum Vorteil, dass du die entsprechenden Arc ganz normal wie bei einem Einzelband plotten kannst.

Character Arc für Reihen entwickeln
Kurzer Überblick: Eine Character Arc definiert sich als Lernkurve, die eine Figur im Laufe der Ereignisse eines Buches durchläuft. Gelungene Arcs beschäftigen sich dabei mit einem Problem, einer Charakterschwäche des Protagonisten. Am Ende lernt der Prota seine Lektion, die auch als Moral der Geschichte bezeichnet werden kann und das Thema deines Buches wiederspiegeln sollte.
Um also eine gelungene Character Arc zu entwerfen, brauchst du Folgendes:
- Ein Thema, bestehend aus:
- Angst
- Wunsch
- Irrglaube deines Protagonisten
- Lektion/Message, die du deinen Lesern vermitteln willst. Sollte im Einklang mit dem Thema stehen bzw. sich daraus ergeben
- Zeit und Nerven 😉
Erstens: Thema festlegen
Wie oben bereits beschrieben, setzt sich das Thema deines Buches aus dem Wunsch, Irrglauben und der Angst deines Protagonisten zusammen. Diese drei Dinge bedingen einander und stehen gleichzeitig im Konflikt miteinander.
Beispiel: Ein junger Mann möchte Pilot werden (Wunsch), weil er glaubt, sich nur durch diesen Erfolg den Respekt und die Liebe zu verdienen, die er sich von seiner Familie, Freunden und seiner Jugendliebe erhofft (Irrglaube). Sein Problem: Es hat schreckliche Höhenangst (Angst).
Daraus ergeben sich mehrere Möglichkeiten für Themen. Beispielsweise die Überwindung der eigenen Ängste, das Streben nach Erfolg oder die Akzeptanz der eigenen Schwächen.
Wähle das Thema, das die am meisten anspricht. Oder wähle zuerst ein Thema und gestalte ausgehend davon die Ängste, Wünsche und den Irrglauben deines Protagonisten.
Hast du mehrere Protagonisten, so lohnt es sich, allen verwandte Themen zu geben. Du kannst auch mit jedem Charakter eine andere Facette desselben Themas erforschen.
Wählst du etwa das Thema „Streben nach Erfolg“, könnte ein Protagonist lernen, seinen Grenzen zu pushen um sich seinen Traum zu erfüllen. Ein anderer Protagonist könnte dagegen lernen, dass das Ziel nicht alle Mittel heiligt.
Zweitens: Thema splitten
Hast du dich für ein Thema entschieden, so hast du wahrscheinlich auch herausgefunden, was die ultimative Lektion ist, die dein Protagonist am Ende des Buches lernen soll. (z.B. wachse über dich hinaus, um deinen Traum zu erreichen; Nicht jeder Zweck heiligt alle Mittel)
Damit hast du einen definierten Endpunkt. Entscheide nun anhand der Anzahl von Büchern, wie viele und welche Zwischenschritte dein Protagonist erreichen soll. Je länger deine Reihe, desto facettenreicher sollte dein Thema sein – Also achte darauf, dass du auch genug Material hast, um die gesamte Reihe zu füllen!
In jedem Band sollte dein Protagonist einen kleinen Aha-Moment erleben, wobei der große Aha-Moment (in dem der Prota endlich seine Lektion lernt) am Ende seiner Arc liegt, was klassischerweise auch das Ende der Reihe wäre.
Es gibt zwei Möglichkeiten das zu gestalten:
- Erkennen des Problems (Akt 1) – Arbeiten am Problem (Akt 2) – Lösung des Problems (Akt 3)
- Erkennen und Lösen des ersten, kleinen Problems – Erkennen und Lösen eines zweiten, etwas größeren Problems – Erkennen und Lösen des größten Problems
Ersteres ist meiner Meinung nach selbsterklärend, doch auf den zweiten Punkt möchte ich mit einem Beispiel etwas genauer eingehen.
Alle größeren und kleineren Probleme stehen weiterhin unter der Fahne des Themas der Reihe und bedingen einander.
Bleiben wir beim Thema „Streben nach Erfolg“ und der Lektion „Nicht jeder Zweck heiligt alle Mittel“ in einer Trilogie.
Der erste Band könnte beschreiben, wie ein mittelloser junger Mann die ersten Stufen der Karriereleiter erklimmt. Er lernt hierbei, dass er mit Nettigkeiten und Höflichkeiten nicht weit kommen wird und stattdessen ein wenig sein inneres Arschl*ch raushängen lassen muss.
Der Zweite Band führt ihn durch ein Auf und Ab, während der versucht, seine Taten vor sich selbst zu rechtfertigen und sein Gewissen zu erleichtern. Am Ende erkennt er, dass er sich von seinem Gewissen komplett verabschieden muss, um erfolgreich zu sein.
Im dritten Band könnte er begreifen, dass er mit seinen Taten nicht leben kann. Zwar hat er nun alles, was er je wollte, doch kann damit nicht glücklich werden. Also entscheidet er sich auszusteigen und ein weniger erfolgreiches, aber dafür glücklicheres Leben zu leben, da der Zweck nicht alle Mittel heiligt.
Tadaa!
Du siehst in diesem Beispiel, wie jedes Buch seine eigene Problematik bekommt, die dem Protagonisten eine Chance zum Wachsen gibt, doch erst am Ende ist seine Arc wirklich komplett und er lernt die Lektion, das Thema, das du deinen Lesern vermitteln wolltest.
Es gibt weitere Möglichkeiten, Themen zu splitten, doch es ist deine Aufgabe als Autor herauszufinden, was für deine Werke (und deren individuelle Themen) am besten funktioniert.
Drittens: Unter-Themen ausarbeiten
Hast du diese Unter-Themen, wie oben beschrieben, gefunden, so ist es nun an der Zeit, diese auszuarbeiten. Nimm jedes Unterthema und gestalte die entsprechenden Höhen und Tiefen, der es bedarf, damit der Protagonist am Ende des Bandes seinen entsprechenden Aha-Moment erlebt.
Viertens: Character Arc plotten
Jetzt wird alles wieder zusammengefügt. Du kannst hierbei so detailliert oder grob vorgehen, wie du willst. Idealerweise werden sich dabei auch einige Punkte bereits mit dem Plot deines Buches überlappen.
Schau dir hierbei auch noch mal alle Unterthemen an und stelle sicher, das sie zum übergreifenden Thema passen und insgesamt ein zufriedenstellendes Ganzes ergeben.